Am 30.09.2021 ist die Frankfurter Band Suicide Outfit erstmals zu Gast in Kassel. Gemeinsam mit DJ Bernd Kuchinke und der Erzählkünstlerin Kirsten Stein stehen sie auf der Bühne des Theaterstübchens.
Das Netzwerk Nordhessen führte das Interview mit Suicide Outfit-Sängerin Ilijana Jovic über Nord- und Südhessen, Musik, Fußball, Partisanenlieder und einiges mehr…
Netzwerk Nordhessen:
Hallo Ilijana, am 30.09.21 bist du mit deiner Band Suicide Outfit erstmals in Nordhessen zu Gast. Freust du dich schon auf die schönste hessische Stadt, einhergehend mit der landschaftlich bezauberndsten Region unseres Bundeslandes?
Ilijana Jovic:
Gude Carsten! Na klar, wir freuen uns schon riesig, bald auch Nordhessen mit unserer Musik zu ‘bezaubern’.
Aber schönste Stadt, darüber lässt sich sicherlich streiten…. Für mich ist und bleibt das nunmal Frankfurt am Main. Für unseren Drummer ist das übrigens auch wie eine Art ‘Heimspiel’.
Netzwerk Nordhessen:
Auf das Thema Nord/Südhessen gehe ich später nochmal ein. Viel interessanter sind ja Fragen zu eurer Musik. Wie und wann ist Suicide Outfit entstanden und welche musikalischen Einflüsse habt ihr?
Ilijana Jovic:
Suicide Outfit gibt es seit Ende 2018 und in der aktuellen Konstellation seit 2020. Wir sind alle auch im „wahren Leben“ dicke Freunde. Ja, ich würde behaupten, schon eine Familie. Deswegen nennen wir uns ja auch das Balkan Punk’n Roll Syndikat.
Beeinflusst wird unsere Musik hauptsächlich durch Punk, aber auch Rock’n Roll, Hardcore und internationale Musik. Wir lieben es einfach, verschiedene Stile miteinander zu kombinieren und ich glaube, das gelingt uns bisher ziemlich gut. (grinst)
Netzwerk Nordhessen:
Welche 3 Bands bzw. Künstler/innen haben dich als Musikerin/Sängerin am meisten beeinflusst?
Ilijana Jovic:
Drei Bands? Puh, das ist eine schwere Frage… Seit ich mit 6 Jahren das erste Mal Elvis hörte, war für mich klar, dass für mich nur ‘echte’, sprich handgemachte, Musik in Frage kommt. Aufgrund meiner Wurzeln habe ich ebenso den Hang zum Balkan. Ansonsten bin ich tief im HC/ Punkrock verwurzelt. Dazu gehören z.B. The Distillers, Agnostic Front, WIZO, Joan Jett, die Liste ist lang… Prinzipiell höre ich jede Musik, die mir gefällt und mache es nicht von einem Genre abhängig. Ausgeschlossen sind Volksmusik, Schlager und Techno. Das geht für mich gar nicht. Des Weiteren bin ich kein großer Fan von Deutschrock.
Netzwerk Nordhessen:
Wenn man an Musik aus der Mainmetropole denkt, fallen einem zunächst die Böhsen Onkelz ein. Wie stehst du zu denen?
Ilijana Jovic:
Um ehrlich zu sein, habe ich null Bezug zu dieser Musik oder Band. Nicht nur wegen ihrer sehr braunen Vergangenheit, dass für mich von vornherein schon ein k.o.-Kriterium ist, sondern auch musikalisch gesehen, verkörpern sie in keiner Weise die bunte Frankfurter Gesellschaft. Wohl eher das Gegenteil. Die Texte und Musik sind perfide, gespickt mit Selbstmitleid und Mimimi. Damit kann und will ich nichts anfangen.
Zudem hat die Frankfurter Musikszene jede Menge wirklich großartige Bands zu bieten, die die Stadt in seiner Internationalität und Kreativität wiedergeben. Die Böhsen Onkelz zähle ich definitiv nicht dazu.
Netzwerk Nordhessen:
Ich finde die Böhsen Onkelz unerträglich, muss aber zugeben, dass ich außer Bildstörung und den Onkelz aktuell nur Suicide Outfit aus Frankfurt kenne. Liegt vermutlich daran, dass ich fast ausschließlich Hamburger oder französische Bands höre.
So kann ich aber auch guten Gewissens behaupten, dass Suicide Outfit meine Lieblingsband aus Frankfurt ist. Kein Wunder, bei eurer fantastischen Version von Bella Ciao. Wie kam es zu diesem Song? Du trägst den Song in eurem Video sehr überzeugend vor, nicht so, wie eine gewöhnliche Coverversion.
Ilijana Jovic:
Na, da sind wir uns ja einig. (lacht)
Es ehrt uns wirklich sehr, dass wir deine Lieblingsband aus Mainhattan geworden sind. Aber auch auf die Gefahr hin, dass du uns ‘fremdgehst’, kann ich dir mit Sicherheit verraten, dass es in Südhessen sogar jede Menge großartige Bands gibt. Wie zum Beispiel Stage Bottles, The Swipes oder Revolte Tanzbein und viele, viele mehr. Alles tolle Menschen mit Punkrock Attitüde.
„Bella Ciao“ hat für mich wirklich eine sehr tiefe Bedeutung. Deswegen hat es mich extrem geärgert, dass aus diesem schon historisch wichtigen Song ein hirnloser Partysong gemacht wurde. Selbst vor Netflix hat dieser Hype keinen Halt gemacht.
Dabei ist bzw. war es DAS Lied der Partisanenbewegung. Es ist die Verabschiedung von den Liebsten ohne das Wissen, ob es überhaupt jemals wieder eine Rückkehr geben wird… Mein kroatischer Opa war selbst Partisane und hat im zweiten Weltkrieg sein Leben für unsere Freiheit riskiert. Deswegen ist dieser Song ihm gewidmet.
Netzwerk Nordhessen:
Ich zähle Bella Ciao seit langem zu meinen absoluten Lieblingssongs und bin von eurer Version zutiefst beeindruckt. Man spürt deine Emotion und die Geschichte dahinter.
Du bist vor wenigen Tagen beim Elvis-Festival in Bad Nauheim aufgetreten. Hast du dort auch gesungen oder nur Mode präsentiert? Erwartet uns in Kassel ein Song von Elvis?
Ilijana Jovic:
Das berührt mich umso mehr, da dieses Lied für mich mit Herzblut verbunden ist. 🖤
Ja, allerdings nur als Model für Peggy Sue. Ich liebe diesen Stil und unterstütze gerne die lokalen Läden. Deswegen waren wir sofort am Start, als es darum ging, das Feinstaub und das Neue Backstage aktiv zu unterstützen. Wir haben daher für die Soli LP ‘One City One Crew’ auch unseren neuen Song ‘Purgatory’ zur Verfügung gestellt.
Netzwerk Nordhessen:
Nicht oft, aber doch gelegentlich bin ich mal in Frankfurt. Welche Shopping-Tipps, abseits des Mainstream, hast du für mich?
Ilijana Jovic:
Musikalisch und ‚uff a Schobbe‘ lohnen sich immer u.a. Feinstaub, Dreikönigskeller, Neue Backstage, Exzess, Klapperfeld, Au. Ansonsten haben wir hier die vielfältigsten Läden, die zum Bummeln und Entdecken einladen. Sei es nun Bekleidung von ‚Peggy Sue‘ oder Feinkost diverser Balkan Spezialitäten von ‚Jadran‘…
Netzwerk Nordhessen:
Obwohl mir Neid gänzlich fremd ist, würde ich mir bei uns in Kassel auch Erstliga-Fußball wünschen. Du bist Eintracht Fan. Gehst du ins Stadion? Fährst du zu Auswärtsspielen?
Ilijana Jovic:
Ja, seitdem ich sozusagen denken kann, schlägt mein Herz für die Eintracht. Nur die SGE!!!! Unser Schlagzeuger und ich haben es auch unter unserer Haut. (zwinkert)
Netzwerk Nordhessen:
Kommen wir zu den wirklich schönen Themen. Kommen wir nach Kassel und Nordhessen. Wen oder was verbindest du mit Kassel und Umgebung? Warst du schon einmal bewusst hier?
Ilijana Jovic:
Bis auf den Bus-Stopp in Kassel auf dem Weg nach Hamburg, muss ich gestehen, war ich noch nie in Kassel unterwegs. Also nope.
Wenn ich Kassel höre, dann denke ich leider zunächst – aufgrund der jüngsten Vorkommnisse – an den Lübcke-Mord und eine „Mimimi Jana aus Kassel“. Aber auch, dass da unser Drummer herkommt, die Documenta stattfindet und es die ehemalige kurhessische Hauptstadt war.
Und jetzt natürlich an euch. Wir sind mega happy, bald im Theaterstübchen in Kassel rocken zu dürfwar. Mit Kirsten im Vorprogramm, trifft geballte Frauenpower zusammen. Und vielleicht bleibt ja auch noch a bissi Zeit für eine kleine Erkundungstour.
Netzwerk Nordhessen:
Du hast schon recht. Durch die von Neonazis begangenen Morde an Dr. Walter Lübcke und Halit Yozgat liegt ein sehr, sehr dunkler Schatten über der Region.
Bei der „Jana aus Kassel“ stellt sich die Frage: Ist die wirklich so dämlich, oder war das ein genialer Werbegag von Kassel Marketing?
Wie dem auch sei. Schlussendlich habe ich das Gefühl, dass in der öffentlichen Wahrnehmung Frankfurt mit Bankenskandalen, organisierter Kriminalität und Offenbach in Verbindung gebracht wird. Währenddessen man bei Kassel an Documenta, Bergpark Wilhelmshöhe, Herkules und Wasserspiele denkt.
Ich erinnere mich noch gut daran, als sich früher zu Zeiten des „Eisernen Vorhangs“ Sportler im Rahmen von Wettkämpfen von ihren Teams absetzten, um nicht zurück in die Heimat zu müssen. Hast du Sorge, dass Bandkollegen von dir nach eurem Auftritt im Theaterstübchen auf die Idee kommen könnten, in Nordhessen bleiben zu wollen?
Ilijana Jovic:
Uuuh, jetzt holst du aber zum Gegenschlag aus. Aber ich muss dir da vehement widersprechen. Frankfurt, das ist die Skyline, der Flughafen, die Börse, sowie internationales Handelszentrum, Verkehrsknotenpunkt und natürlich Eintracht Frankfurt. Es ist die Stadt mit der höchsten Museumsdichte und einer der grünsten Großstädte noch dazu. Es war Ort der Kaiserkrönung, von gesellschaftlich, historisch relevanten Entscheidungen und bis heute ein rebellischer Vorreiter. Es ist die Geburtsstätte von Goethe, Adorno, Anne Frank. Aber auch von RAF, Drogen und das berühmt berüchtigte Bahnhofsviertel. Das will ich jetzt nicht vorenthalten.
Ich habe ja 18 Jahre außerhalb von Hessen gelebt und daher einen ganz guten Eindruck über die leider immer noch bestehenden Vorurteile und Wahrnehmung von Frankfurt bekommen.
Lange Rede, kurzer Sinn. Meine Antwort ist daher ein klares NEIN! Da mach ich mir wirklich keine Sorgen. Selbst unser Drummer ist überzeugter Eintrachtler. (Streckt die Zunge raus)
Netzwerk Nordhessen:
Das wäre meine nächste Frage gewesen. Wie habt ihr ihn aus Nordhessen rausgeholt? Habt ihr ihn unter Druck gesetzt? Konnte er die Geschehnisse verarbeiten?
Ilijana Jovic:
Rausholen? Das mussten wir nicht. Wer Frankfurt wirklich kennt, kann nicht anders als diese kleine Metropole am Main zu lieben!
Wir sind hier eine bunte Truppe mit dem ältesten besetzten Haus, vielen linken Zentren und die Stadt mit den meisten Nationalitäten. Multikulti ist hier Programm verbunden mit Toleranz gegenüber allen und jeden. Ausgenommen davon sind ganz klar Nazis und Konsorten! Das ist gut so und nicht anders soll es sein.
Aber ich nehme dir die Sticheleien nicht übel. Schließlich hat Kassel u.a. wegen Frankfurt nach dem 2 WK seinen Status als kurhessische Hauptstadt aufgeben und an Wiesbaden weitergeben müssen. Das wird schon am Stolz gekratzt haben.
Netzwerk Nordhessen:
Du hast sicherlich gemerkt, dass nicht alle Fragen so ganz ernst gemeint waren.
Aber abschließend will ich durchaus anerkennen, dass die Eintracht aktuell die beste Fanszene im deutschen Fußball hat, Suicide Outfit sehr tolle Musik macht und wir uns sehr auf euch freuen.
Ilijana Jovic:
Awww, kleine Frotzeleien erhalten doch die Freundschaft…
Und bei euch zu spielen, wird der Burner, da bin ich mir sicher. Es kribbelt schon richtig in den Fingern!
Danggööö für das lustige Interview und hoffentlich bis bald. In diesem Sinne: United we stand!
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.