Wie ihr in den vergangenen Monaten und Jahren vermutlich festgestellt habt, interviewen wir von Zeit zu Zeit Menschen der Region, denen wir gern mit unseren begrenzten Mitteln eine Stimme geben und Gehör verschaffen wollen.
In einer Zeit der Verrohung unserer Gesellschaft, geprägt von menschlicher Kälte, Neid, Missgunst, Resignation und Egoismus. Einer Zeit, in der Influencern und Social Media Helden mehr Glauben geschenkt wird, als der Wissenschaft. In der Fake News salonfähig geworden sind…
…erfreut es uns ganz besonders und ist zudem wesentlicher Bestandteil unserer Philosophie, wenn sich Menschen zusammenfinden und bereit sind, etwas nachhaltiges für die Allgemeinheit zu tun. Und dies, ohne Dollarzeichen in den Augen, sondern einfach nur, um einen sinnvollen Beitrag für unser Miteinander in der Region zu leisten.
So auch die Macher und Macherinnen des jährlich stattfindenden World Music Festivals in der Schwalm, welche mit viel Kreativität, Engagement, Arbeit, Liebe, Fleiß, Leidenschaft, aber auch mit einem finanziellen Risiko einen Mehrwert für unsere Region schaffen. Und dies schon seit über 20 Jahren. Das verdient unseren großen Respekt und den Wunsch, mehr über dieses Festival und die Menschen dahinter zu erfahren. Aber lest selbst das Interview mit Ariane vom Team des Loshausener Festivals.
Netzwerk Nordhessen:
Hallo Ariane, schön, dass es heute mit unserem Interview klappt. Stell dich doch zunächst bitte mal kurz vor. Was machst du so wenn kein Musikfestival ist, wo kommst du her, deine Hobbies, seit wann bist du im Vorstand des Festivals…
Ariane Schade:
Ich bin 45 Jahre jung. Beruflich bin ich seit 2013 als Sozialarbeiterin beim Ludwig Noll Verein tätig.
Als Hobby würde ich meine 2 Hunde bezeichnen. Darüber hinaus habe ich begonnen Gitarre zu lernen und verbringe gerne Zeit in der Natur. Im Vorstand bin ich seit Anfang des Jahres.
Netzwerk Nordhessen:
Euer Festival gibt es seit 2002, hat also schon eine lange Tradition. Warst du von Beginn an dabei?
Ariane Schade:
Nein, ich war kein Gründungsmitglied, sondern bin erst später hinzugekommen. Vor ca. 10 Jahren habe ich die Veranstaltung zunächst als Besucherin kennen- und lieben gelernt. Seitdem sind mein Partner und ich organisatorisch aktiv.
Netzwerk Nordhessen:
Wie kommt man auf die Idee, in der Schwalm ein World Music Festival auf die Beine zu stellen? Wie war der Weg von der Idee bis zur konkreten Umsetzung?
Ariane Schade:
Die Gründungsmitglieder waren früher gemeinsam mit ihren 2 Bands (die Klangfreunde und Djin de Djembe) viel auf verschiedenen Festivals unterwegs und irgendwann entstand die Idee selbst ein Festival zu veranstalten und all das wegzulassen, was bei Festivals so nervt, kein Eintritt, keine Zäune, keine Beschränkungen. Für Kinder sollte es unbedingt attraktiv sein. Da die Gründungsmitglieder damals in der Schwalm lebten, hat man sich in der näheren Umgebung nach einem idealen Platz umgeschaut und ihn in Loshausen gefunden.
Netzwerk Nordhessen:
Wie groß war euer Organisations-Team zu Beginn vor über 20 Jahren und wie groß ist es heute?
Ariane Schade:
Bei der Vereinsgründung waren es erst 7 und dann längere Zeit 5 Personen. Heutzutage sind wir 8 Leute.
Netzwerk Nordhessen:
Ihr seid ein Verein, auch gemeinnützig? Dies kann ja unter Umständen für Sponsoren und sonstige Unterstützer wichtig sein…
Ariane Schade:
Ja, wir sind ein gemeinnütziger e.V.
Netzwerk Nordhessen:
Wie muss ich mir eure Budgetierung vorstellen? Da ich selbst Veranstalter bin, kenne ich die Ängste, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, das Wetter nicht mitspielt usw.
Ariane Schade:
Die Kosten für das Festival bewegen sich im unteren 6stelligen Bereich. Wir bemühen uns immer die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, damit der Eintritt entsprechend so niedrig wie möglich bleiben kann.
Netzwerk Nordhessen:
Wie gestaltet ihr eure Eintrittspreise?
Ariane Schade:
Zu Beginn des Festivals wurde noch gar kein Eintritt genommen. Nach ein paar Jahren mussten wir dann allerdings einen Unkostenbeitrag von 15,- Euro für das Festival nehmen. Das ging ein paar Jahre gut, doch nach und nach mussten weitere Preisanpassungen stattfinden, je nachdem wie sich die Kosten entwickelten. Vor Corona entschieden wir eine Preisanpassung auf 65,- Euro, die dann aber durch die Kostenexplosion in 2022, also während der Pandemie, überhaupt nicht mehr ausgereicht hatte. Dadurch waren wir schweren Herzens gezwungen, die Eintrittspreise erneut deutlich nach oben zu korrigieren. Das war ziemlich bitter.
Netzwerk Nordhessen:
Was heißt „deutlich nach oben“ und was beinhaltet euer Eintrittspreis?
Ariane Schade:
Während Corona waren wir bei über 100,- Euro gelandet, zum Glück sind wir aktuell wieder darunter, bei 85,- Euro für das gesamte Festivalwochenende, inkl. Zeltcamping. Für ein Fahrzeug kommen noch 10,- Euro dazu. Kinder bis 15 Jahre können das Festival kostenfrei besuchen und am Sonntag haben wir traditionell freien Eintritt, um niemanden auszuschließen und jedem eine Teilhabe zu ermöglichen.
Netzwerk Nordhessen:
Aus Sicht unseres Netzwerks leistet euer Festival einen wertvollen Beitrag für die Region. Es kommen Menschen verschiedenster Altersgruppen und Nationalitäten zusammen. Ihr bietet Workshops an, welche die Gemeinschaft fördern und die Kreativität anregen. Und nicht zu vergessen, ihr tragt zur Steigerung des Bekanntheitsgrades des Landkreises, der Schwalm und natürlich der Gemeinde Willingshausen bei. Erfahrt ihr Unterstützung seitens Landkreis oder Kommune? Wie ist die Situation mit Sponsoren?
Ariane Schade:
Nee, von Kommune und dem Kreis erhalten wir keine Zuwendungen. Auch Sponsoren interessieren sich bislang nicht für uns. Eine zusätzliche Unterstützung würde uns natürlich immens weiterhelfen. Aktuell finanzieren wir aber alles durch Eintrittsgelder, Standgebühren und Eigenleistung.
Netzwerk Nordhessen:
Wie sind die Besucherzahlen beim World Music Festival?
Ariane Schade:
Auch da hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen. 2024 hatten wir etwa 1200 Besucher. In Spitzenzeiten waren es 2500, mit denen wir aber auch komplett ausgelastet waren. Dadurch haben wir eine familiäre Atmosphäre, die wir alle so schätzen.
Netzwerk Nordhessen:
Im Gegensatz zu einem Mäzen erwartet ein Sponsor Profit von seinem Investment. Wie auch immer dieser aussehen mag. Was könnt ihr Werbepartnern anbieten, um interessant für diese zu werden?
Ariane Schade:
Wir werben natürlich über die verschiedenen Social Media Kanäle, regional auch mit Plakaten. Ein bisschen Pressearbeit, aber deutlich zu wenig.
Netzwerk Nordhessen:
Ich denke, in diesem Bereich habt ihr eine Menge Luft nach oben. Vermutlich kann euch unser Netzwerk mit wertvollen Tipps und auch Kontakten weiterhelfen.
Wie fällt euer Fazit des diesjährigen Festivals aus?
Ariane Schade:
Gut, insbesondere aufgrund dessen, dass vieles neu war. So hat sich unser Vorstand, dem ich als Beisitzern angehöre, gerade neu gebildet. Das heißt, neue Abläufe, neue Ideen…
Wir sind ein relativ kleines Orga-Team, bestehend aus 8 Personen und hatten die primäre Aufgabe, ein schönes Festival auf die Beine zu stellen und gleichzeitig die Kosten der Vorjahre zu minimieren. Für dieses Festival konnte unsere Kassenwärtin die Kosten reduzieren, sodass wir den Eintrittspreis glücklicherweise wieder niedriger gestalten konnten und trotzdem kostendeckend waren, da hat sie echt einen tollen Job gemacht. Das Festival wird also in 2025 weitergehen und hoffentlich wieder viele nette Gäste nach Loshausen bringen.
Netzwerk Nordhessen:
Wie schätzt du eure Besucherstruktur insgesamt ein? Alter, Herkunft….
Ariane Schade:
Unser Publikum ist breit gefächert. Wir haben Familien mit Kindern, teilweise auch sehr kleinen. Im Umkehrschluss aber auch Menschen im Rentenalter, für die unsere Art des Events sicherlich auch eine Art Zeitreise ist.
Es kommen natürlich viele Besucher aus der Region, wir haben aber auch zahlreiche überregionale Gäste, sei es aus dem Ruhrgebiet, Bayern, Hamburg, Berlin, vereinzelt auch aus dem Ausland.
Netzwerk Nordhessen:
Nach den nunmehr über 20 Jahren World Music Festival; seid ihr dort angekommen wo ihr hinwolltet, oder besteht das Bestreben noch größer zu werden?
Ariane Schade:
Wenn wir die Besucherzahlen der „Vor-Corona-Zeit“ wieder erreichen, also so 2.500 Gäste, dann sind wir platztechnisch am Limit und haben unsere Kapazitätsgrenze erreicht. Wir wollen nicht größer werden und der Platz würde das auch nicht hergeben.
Netzwerk Nordhessen:
Euer Festival genießt den Ruf, besonders familienfreundlich zu sein. Ihr bietet euren Besuchern neben der Livemusik noch einiges mehr. Was zum Beispiel?
Ariane Schade:
Ja, das stimmt. Wir wollen ein generationsübergreifendes Festival mit netten Menschen in friedlicher Atmosphäre veranstalten. Dies umfasst gemeinsames Campen und Musizieren, Workshops, Markt- und Foodstände, die schöne Landschaft mit Badeoption im kleinen Flusslauf und mehr.
Netzwerk Nordhessen:
Wann findet das nächste World-Music-Festival statt und wann beginnen eure Planungen?
Ariane Schade:
Das World Music Festival findet immer am 3. Juliwochenende statt. Im kommenden Jahr ist das vom 18.-20.07.25.
Die Planungen hierfür werden demnächst beginnen. Aktuell sind wir noch mit der Nachbereitung des zurückliegenden Festivals, wie z.B. den Abrechnungen mit der GEMA beschäftigt. Dann steht noch ein kleines Fest für unsere zahlreichen fleißigen Helferinnen und Helfer an, ohne die eine solche Veranstaltung nicht möglich wäre.
Aber natürlich bewerben sich schon erste Bands bei uns und auch das Festivalgelände ist bereits reserviert.
Netzwerk Nordhessen:
Wie erfolgt die Auswahl der Bands, die in Loshausen auftreten? Welche Musikrichtungen kommen für euch bei der Auswahl in Betracht?
Ariane Schade:
Wir versuchen immer eine gute Mischung von verschiedenen Genres hinzubekommen und jedes Jahr 1 bis 2 Headliner zu engagieren.
Netzwerk Nordhessen:
Wie muss ich mir als Liebhaber einer ganz anderen Musikrichtung eure Headline vorstellen? Kenne ich die, auch wenn ich nicht aus der Szene komme?
Ariane Schade:
In der Vergangenheit waren das z.B. Bands wie Orange, Tasheeno oder Embryo. Orange war sicherlich unsere bislang bekannteste Band.
Netzwerk Nordhessen:
Was ist dein persönliches Highlight, seitdem du ins World Music Festival involviert bist?
Ariane Schade:
Da gibt es einige. Angefangen beim Flair, der Atmosphäre. Natürlich zahlreiche tolle Bands, das Gemeinschaftserlebnis beim Musizieren oder am Lagerfeuer, das Entstehen neuer Freundschaften, der Zusammenhalt.
Netzwerk Nordhessen:
Gab es auch negative Erfahrungen?
Ariane Schade:
Wie bei jedem anderen Festival auch, ist man immer auch mal mit etwas Negativem konfrontiert, muss sich Kritik stellen oder Schwierigkeiten bewältigen. Wir sind immer offen für Verbesserungsvorschläge, so lange es sich realisieren lässt und diskutieren das im Orgateam und schauen, inwiefern das in unsere Umsetzung für das kommende Festival passen kann.
Netzwerk Nordhessen:
Wenn du unabhängig von den Kosten dir eine Band für euer Festival wünschen könntest, wer würde in Loshausen auftreten?
Ariane Schade:
Neil Young oder Motorpsycho.
Netzwerk Nordhessen:
Oh, Neil Young. Eine sehr gute Wahl.
Abschließend noch deinen Wunsch für die Zukunft…
Ariane Schade:
Im Allgemeinen wünsche ich mir für die Welt in der wir leben mehr Gerechtigkeit und eine fairere Verteilung von Reichtum, bzw. von den Dingen, die im Leben wirklich wichtig sind.
Netzwerk Nordhessen:
Vielen Dank, liebe Ariane, für das nette und informative Gespräch.